Da ich das Glück habe, daß einige Verwandte von meinem Freund in Italien leben, haben wir unseren Sommerurlaub 1999 in Molfetta verbracht.

Molfetta ist ein wirklich sehr schöner kleiner Fischerort in Apulien, ca. 25 km von Bari entfernt. Das allerbeste an diesem Ort ist (natürlich neben den super netten und gastfreundschaftlichen Verwandten), daß er noch nicht vom internationalen Tourismus berührt wurde. Das bedeutet allerdings auch, daß man mit Englisch hier nicht sehr weit kommt. Dies stellte aber kein großes Problem dar, da jeder wirklich versuchte etwas aus meiner Mixtur von deutsch-englisch-hände-und-füße-Sprache zu verstehen. Natürlich bringt der Tourismus auch eigene Einnahmequellen in die Städte. Da die Molfettesen diese zusätzliche Einnahmequelle so gut wie nicht haben, ist die Fischerei für diesen Ort sehr wichtig. Wie man uns erzählte, gibt es jedes Jahr einen Monat Fischverbot, in dem sich der Fischbestand wieder erholen soll. Dieses Jahr traf es die Fischer aber besonders schlimm. Im Kosovo-Krieg haben viele Flugzeuge ihre noch nicht abgeworfenen Bomben auf ihren Rückflügen vor der Küste ins Meer fallen lassen. Um die Fischer keiner Gefahr auszusetzen, mußten diese Bomben erst entschärft werden. Das hatte die Folge, daß 1999 ein dreimonatiges Fischverbot (von Juni bis August) galt. Als dann am 1. September wieder alle aufs Meer fahren durften, war um Mitternacht die Hölle los. Die meisten schipperten noch mitten in der Nacht aufs Meer und alle waren sehr erleichtert und freuten sich.

Direkt am schönen Hafen mit der berühmten Kathedrale San Corrado liegt die Altstadt von Molfetta. In der Altstadt gibt es wirklich tolle Häuser, die leider mit den Jahren zusehends verfallen sind. An einigen Stellen ist es so schlimm, daß die Häuser von allen vier Seiten mit dicken Eisenstangen an den gegenüberliegenden Häusern abgestützt werden. In diesen verfallenen Häusern leben aber trotzdem noch viele Familien. In den letzten Jahren hat man allerdings auch die Schönheit dieser Altstadt wiederentdeckt. Einige Firmen (größtenteils Architekten und Galerien) sowie wohlhabendere Privatleute haben sich dort Häuser gekauft und restauriert. Man muß einfach davon begeistert sein, wie schön diese Häuser wieder geworden sind. Ich bin mir sicher, daß die Altstadt in den nächsten Jahren einer der schönsten Flecken von Molfetta wird (wenn sie das nicht schon jetzt trotz der heruntergekommenen Häuser ist).

Noch recht neu ist auch die Promenade, von Molfetta. Tagsüber kann man hier im Meer schwimmen gehen. Die Küste von Molfetta ist felsig, so daß man hier sehr schön schnorcheln kann. Abends ist dies der große Treffpunkt für die Einheimischen. In den warmen italienischen Nächten kann man hier direkt am Meer lang wandern und diese einmalige Stimmung in sich aufnehmen. Daher ist es kein Wunder, daß auf der Promenade auch oft die ersten Annäherungsversuche für spätere Beziehungen stattfinden. Gerade bei den einheimischen unverheirateten Frauen ist es üblich sich den ganzen Tag zu pflegen und etwas für Ihre Schönheit zu tun, um dann abends besonders gut aussehend zur Promenade zu gehen.

Der große Treffpunkt für die etwas älteren Leute ist die Villa, der schön angelegte kleine Park zwischen Hafen und Promenade. Es ist ganz witzig zu sehen, daß auch hier viele Leute hinkommen um auf Braut- bzw. Bräutigamsuche zu gehen. Anders als in Deutschland ist es in Molfetta wirklich noch üblich, daß die Leute, egal wie alt sie auch sind, solange bei den Eltern zu Hause wohnen, bis sie verheiratet sind.

Die Hochzeit wird dann natürlich riesig und mit allem drum und dran gefeiert. Dies konnte ich bei der Hochzeit von Marios Cousin Lorenzo miterleben. Lorenzo und Antonella haben, wie es in Italien üblich ist, sehr pompös gefeiert. Bei so einer Hochzeit sind immer die komplette Familie und die Freunde eingeladen, egal wie viele es auch sind. Da jeder in Italien mit vielen Leuten und möglichst glanzvoll feiert, gibt es überall besonders schöne Anwesen, die für solche Feste gemietet werden können. Selbst ein professionelles Foto- und Filmteam wird für die Hochzeit bestellt. Was dabei herauskommt, hat sehr sehr wenig mit den üblichen Privatvideos bei deutschen Hochzeiten zu tun. Man kann es wohl eher mit einem richtigen Fernsehfilm vergleichen, der natürlich Romantik pur zeigt. Natürlich gab es auch jede Menge zu essen und einen Alleinunterhalter für die Musik. Es war ein sehr schönes Fest, bei dem jeder sehr viel Spaß hatte. Am Ende der Feier wird dann noch ein für meine Begriffe etwas merkwürdiger, aber netter Brauch gepflegt. Jeder Gast bekommt vom Hochzeitspaar ein Geschenk mit nach Hause. Meist sind diese Geschenke dann noch mit Mandeln im weißen Zuckerguß dekoriert, diese sollen nämlich Glück bringen.

Um Geschenke, Kleidung oder ähnliches zu kaufen, geht man in Molfetta auf die Corso Umberto. Auf dieser langen Einkaufsstraße mit chicken Geschäften gibt es sogar eine deutsche Bank. Einmal in der Woche gibt es einen sehr großen Markt, auf dem man fast alles kaufen kann. Obst und Gemüse kann man überall auf der Straße kaufen. Jeder, der auch nur einen kleinen Garten hat und von dort noch etwas übrig hat, verkauft sein Obst und Gemüse an der Haustüre.

In den Mittagsstunden wird allerdings nirgendwo verkauft, dann schläft die ganze Stadt. Nach der großen Mittagshitze sind dann aber alle Menschen wieder auf der Straße. Fast das ganze Leben spielt sich sowieso auf der Straße bzw. den kleinen niedlichen Sträßchen ab. An einem etwas verregneten Nachmittag haben wir versucht ein Café oder Bistro zu finden, in das man sich hineinsetzen kann. Das gibt es so gut wie nicht. Wir haben in der ganzen Stadt nur ein einziges gefunden, ansonsten sitzt man draußen auf der Straße und vor der Haustür.

Nach dem Mittagsschlaf haben wir dann meistens gegessen. Da ich Euch leider übers Internet nicht probieren lassen kann, bringt es nicht viel, Euch über die vielen leckeren Gerichte etwas zu erzählen. Hervorheben möchte ich aber die leckeren Panzerottis (gefüllte Pizza-Teigtaschen, ähnlich wie Calzone), die es an jeder Straßenecke zu kaufen gibt. Am leckersten schmecken sie fritiert. Eine Sache fand ich auch sehr bemerkenswert. Obwohl die meisten Familien einen Backofen haben, wird dieser so gut wie nicht benutzt. Es gibt extra Häuser, in denen gebacken wird. Dort ist dann ein riesiger Steinofen eingebaut und ein Mann ist von morgens bis abends damit beschäftigt die Gerichte in den Ofen zu schieben, wieder herauszuholen und Holz nachzulegen. Wenn man sein Essen hinbringt, muß man einen Zettel hineinlegen, wo der Name und die Uhrzeit der Abholung vermerkt ist. Wenn man es dann abholt, muß man meist doch länger suchen, bis man seinen Auflauf oder ähnliches gefunden hat, aber das macht großen Spaß.

Ein großer Spaß war auch das Fest für die heilige Madonna dei Martiri am 8. September 1999. Für dieses Fest werden die Straßen, Häuser und Kirchen der Stadt jedes Jahr mit großem Aufwand schön geschmückt. Es gibt zwei Kirchen, die jeweils am anderen Ende des Hafenbeckens von Molfetta stehen. In der einen Kirche steht das ganze Jahr über die Statue der Madonna. Dort werden vor dem Fest große Messen gehalten. Es wollen so viele Menschen dabei sein, daß die Messe über Lautsprecher auch vor die Kirche übertragen wird. Am Festtag selber wird die Madonna dann zum Hafen getragen. Dort wird sie zusammen mit hunderten von Menschen und Priestern auf drei zusammengebundene Schiffe gestellt. Diese Schiffe werden dann von zwei kleinen Booten ganz langsam durch das Hafenbecken gezogen. Alle Schiffe im Hafen werden extra geschmückt und schippern dann ebenfalls durch den Hafen. Da auf jedem Boot viel zu viele Menschen waren und auch ordentlich getrunken wurde, stießen ab und an schon einmal zwei Schiffe zusammen, aber etwas schlimmes passiert, ist zum Glück nicht. Nach ein paar Stunden legen die Schiffe mit der Madonna dann am anderen Ende des Hafens wieder an. Die Madonna dei Martiri wird dann von den Leuten zu der zweiten Kirche getragen, wo sie ein paar Tage bleibt. Rund um diese Prozession wird in der ganzen Stadt gefeiert. Es gibt eine Kirmes, einen großen Tierverkauf (bei dem ich die Haltung der Tiere allerdings ab und an für schlecht befinden mußte) und einen riesigen Trödelmarkt. Abgerundet wird das ganze durch ein abendliches Feuerwerk und stundenlange laute Böllerschüsse, wie es wohl üblich ist in Italien.

Ansonsten hat Molfetta noch den berühmten Pulo di Molfetta zu bieten. Bei dem Pulo handelt es sich um Höhlen, die durch eine Wassererosion geformt wurden. Früher haben in den Grotten der Felswände Menschen gewohnt. In der oberen Seite wurden sogar Reste eines frühgeschichtlichen Dorfes gefunden.

Was man sich auf jeden Fall in der Umgebung noch ansehen sollte, ist die Tropfsteinhöhle bei Castellana Grotte und der Ort Alberobello mit seinen Trullis.

Die wunderschöne Tropfsteinhöhle bei Castellana Grotte wurde 1938 entdeckt. Einer Sage nach ist angeblich der Esel eines armen Bauers durch ein Loch in der Erde in diese Grotte gefallen. Dieses Loch kann man gleich am Anfang der Führung (übrigens auch in deutsch) in der großen Eingangshalle bewundern. Es gibt eine kurze und eine längere Führung. Meiner Meinung nach sollte man auf jeden Fall die längere Führung mitmachen, da diese auch zur Grotta bianca führt. Diese weiße Grotte ist zu recht zu einer der schönsten Höhlen der Welt ernannt worden. Aber auch die anderen Gänge und Säle sowie der kleine See sind mit Ihren Stalagmieten und Stalagtiten wunderschön. Die Führungen sind sehr informativ und außerdem ist es sehr witzig, aber auch erstaunlich, was man alles für Figuren entdeckt hat bzw. entdecken kann. Nur bitte, Menschen, die völlig gedankenlos und egoistisch sind, und Stalagtiten oder Stalagmieten abbrechen, sollten erst gar nicht in die Tropfsteinhöhle hineingehen! Allen anderen empfehle ich eine leichte Jacke mitzunehmen, da es in den Höhlen doch etwas kühler (16 Grad C) ist.

Alberobello ist bekannt als Hauptstadt der Trullis. Trullis sind kleine runde Häuser, die nur aus Steinen, ganz ohne Mörtel gebaut wurden. Bis heute ist nicht ganz klar, warum die Häuser so gebaut wurden, es gibt aber jede Menge Erklärungsversuche. Obwohl Alberobello von Touristen überlaufen ist, sollte man sich das Städtchen nicht entgehen lassen. Ein ganzer Stadtteil besteht ausnahmslos aus Trullis; selbst die Kirche Sant' Antonio ist in dieser Bauweise gebaut wurden. Auch heute noch wohnen Menschen in den Trullis. Diese leben meistens davon, daß man sich ihren Trulli anschaut und ihnen dafür etwas Geld gibt. Um mehr Platz zu haben, wurden einige Häuschen miteinander verbunden. Auf den meisten Dächern der kleinen Trullis sind mit weißer Farbe Symbole gemalt. Diese sollten die Bewohner einerseits beschützen (christliche Symbole), dienten aber wohl auch als eine Art Hausnummer, weil alle Häuser gleich aussehen.

Natürlich sollte man auch einmal die Hauptstadt Bari bewundert haben. Hier sollte man aber noch mehr als sonst auf seine Handtasche bzw. Wertgegenstände achten! Selbstverständlich habe ich meinen Namenspatron in Bari besucht - zumindest seine Gebeine, die in der Basilika San Nicola aufgebahrt sind. Diese Kirche und vor allem der Altarbereich ist wirklich einzigartig schön. Die Reliquien des hl. Nicolaus sind im Keller der Kirche aufbewahrt. Solltet ihr dort übrigens Frauen sehen, die immer um die Säulen des Kellers laufen, wundert Euch nicht. Aus irgendeinem Grund soll dieser Brauch helfen einen Mann zu finden ;-)

Von Molfetta aus in der entgegengesetzten Richtung von Bari liegt Castel del Monte. Das Besondere an diesem Schloß sind seine geometrischen Formen. Das ganze Schloß sowie der Innenhof sind achteckig. An jeder Ecke befindet sich noch ein achteckiger Turm. Je acht trapezförmige Räume liegen auf einer Etage. Um ehrlich zu sein, gefällt mir dieses Schloß nicht besonders. Von der Einrichtung ist nichts mehr erhalten geblieben und diese geometrischen Räume mit ihren hohen Wänden wirkten auf mich einfach kalt und dunkel. Das Karl I. von Anjou hier die Kinder seines Gegners gefangen hielt, hilft nicht, diesen Eindruck zu verbessern.

Zum Abschluß meines Reiseberichts noch ein kleiner Tip. Ihr bekommt für alles was Ihr kauft, ob nun etwas zum Essen oder andere Sachen eine Quittung. Diese Quittung muß aufgehoben werden. Nach italienischem Steuergesetz wird aufgrund dieser Quittungen kontrolliert, ob man auch ordnungsgemäß Steuern gezahlt bzw. das Geschäft Steuern einbehalten hat. Es gibt tatsächlich Kontrollen, bei denen auch Geldstrafen drohen.